Die Edermühle beim Kauf

Kapitel 1 – Um Himmels Willen – es ist eine Mühle

Auf der Suche nach einem neuen Zuhause

Ach ja… 5 Jahre suchten Steffi und ich jetzt schon nach unserem zu Hause.

Wir waren im Bayerischen Wald, Sachsen Anhalt, Steiermark, Kärnten, Salzburger Land – ja immer Land, denn nur wer mitspielt kann gewinnen und wir spielen nun mal kein Lotto.

Ein mal hatten wir etwas sehr schönes am Wallersee entdeckt. Fast 1 Hektar Grund, nettes Haus direkt am Wasser – für schlappe 9,5 Millionen – nein nicht Zloty sondern Euro.

Naja, zurück zum Thema.

Wir hatten schon allerhand gesehen und erlebt auf unserer Suche, aber immer gab es irgendeinen Haken.

Der Haken

Was ein Haken ist?

Naja, stell Dir vor Du hast ein entzückendes Häuschen in Gams bei Hieflau mitten im Nirgendwo gefunden, keine 10 Minuten vom schönsten Bergsee den Du jemals gesehen hast. In diesem Bergsee, dem Leopoldsteinersee, hat es einen Forellenbestand bei dem Du als Angler vor Freude weinen musst. Das ist schon mal gut.

Das entzückende Häuschen hat einen dazugehörigen Grund von ca. 3.500 qm mit einem Stall-Stadl für Schweine, Ziegen etc., einen Stadl inklusive Hobbyimkerei und Dach sowie Elektrik ist alles fast wie neu. Genial!

Dieses Idyll liegt an einem Bächlein gelegen und verfügt auch noch über einen guten Internetanschluss, den Du beruflich einfach brauchst – Gutes Internet im Nirgendwo – sehr genial!

So und jetzt stellst Du Dir noch vor, dass Du in dieses Paradies vielleicht noch maximal 20.000 € stecken musst und das bei einem Kaufpreis von maximal 80.000 € – das ist perfekt!

Weniger perfekt ist es, wenn die 80 jährige Nachbarin vorbei schaut, Dir ein Fotoalbum zeigt in dem ihr inzwischen verstorbener Mann zu sehen ist, wie er neben einem Giganten von Felsbrocken steht der ihn um mindestens 1 Meter überragt und auf Deine Frage hin “Wo is denn des Foto gmacht wordn?” erwidert “Des is genau da wo mir hier stehen im Garten, des war wo des Hochwasser vor 3 Jahren war”.

Der lustige kleine Bach mutierte also gerne mal zur Donau mit 20 % Gefälle und einer Fließkraft die Berge versetzt.

Lebensgefahr ist ein Haken.

Weitere “Erlebnisse”

“Nett” war auch die Geschichte vom Bayerischen Wald mit dem Haus das durch die eigene Quelle mit Wasser versorgt wurde. Ich höre heute noch die Stimme des gut situierten Ärztepaares aus Berlin “Da jibbet nur en klenet Problem, det wird grad jerichtet, machen se sich blos keene Sorgen”, aber auch die Stimme des Beamten der zuständigen Behörde der mich 2 Tage vor dem Notartermin auf mein Drängen hin endlich zurückrief um mir zu sagen “Na, do werd nix hergricht, d’ Quoin is versaicht und mia wissn jo garned woran des liegt. D’ Quoin hamma so lang gsperrt bis mas wissn wo des überhaupt herkimmt, dess konn ois sein!”

Ja auch eine verseuchte Quelle auf deren Wasser Du angewiesen bist, vor allem wenn Du im November einziehen wolltest, ist ein Haken.

Dass der Grund 1,2 Hektar statt den angegebenen 1,6 Hektar hatte wurde vom Maklerbüro mit einem höflichen “Ja mei, da schaun mir ned so genau hin, der Grund kost ja eh fast nix” kommentiert – ganz nach dem Motto: Darfs auch a bissal weniger sein.

Ein “Erlebnis” topt das andere

Dann gab es da noch “Makler” die über das Objekt weniger wussten als wir aus dem Internet – ungelogene 6 mal(!) “Das weiß ich jetzt nicht…” ist hier auf Platz 1 gelandet und dabei ging es lediglich um leicht elementare Fragen wie “Ähm.. Das ist jetzt schon der 2te von 2 Räumen wo das Licht nicht angeht, hat’s hier überhaupt Strom?”

Dieses Haus wurde uns im Internet und am Telefon übrigens als renovierungsbedürftiges Schmuckstück, Ruhig gelegen und gut zu erreichen angeboten. Vorgefunden haben wir eine versiffte Ruine über deren Grundstück eine Eisenbahnhochbrücke, ich wiederhole, eine Eisenbahnhochbrücke verlief und umrandet von 3 Schnellstraßen war. Ich kannte Google Maps zwar, stellte aber schnell fest, dass Dir das genau gar nichts nützt, wenn der Makler eine rosarote “I konn ois verkaffa – OIS!” Brille auf hat.

Dass man beim verlassen des Grundstücks allerdings immer eine Münze dabei haben musste war dann endgültig der Haken. Kopf: Du hattest einen extremen Nervenkitzel – Zahl: Du hattest einen tödlichen Autounfall. Das war DIE Todesausfahrt. 20 Verkehrsspiegel hätten hier nicht verhindern können, dass es Dich irgendwann erwischt und ein Auto mit 120 km/h in Dich reindonnert. Du erinnerst Dich? Lebensgefahr = Haken!

Nachdem mich der “Makler” also provisionsgetrieben vorab telefonisch bei allen Fragen falsch “informierte”, meinte er abschließend, ich hätte ihn vermutlich nur falsch verstanden – das sagte er mir im übrigen auch nur übers Telefon, denn das Haus wurde uns von 2 “Praktikantinnen” “vorgeführt”, was wiederum Platz 1 mit 6 “Das weiß ich jetzt nicht…” erklärt.

Kurzes Kopfkino

Ich hätte ihn am Telefon also nur falsch verstanden, so so…

Makler : Abrisshaus

Ich : Renovierungsbedürftig, ist notiert

Makler : Eisenbahnhochbrücke übers Grundstück

Ich : Völlig ruhig gelegen, hab ich

Makler : Umrandet von Schnellstraßen mit Todesausfahrt – Münze nicht vergessen

Ich : Gut erreichbar und noch mehr Ruhe, ein Traum

Makler : Völlig versifft

Ich : Ein Schmuckstück, super

Makler : Ich habe übrigens überhaupt keine Lust Ihnen diese unverkäufliche Ruine zu zeigen, das machen 2 Praktikantinnen die aber rein gar nichts über das Objekt wissen

Ich : Perfekt, Sie sind ein Makler nach meinem Geschmack! Wir sehen uns in 4 Stunden, bis gleich!

Steffi und ich bedanken uns an dieser Stelle auch nochmal für die 8 sinnlosesten Stunden Autofahrt unseres Lebens.

Dass wir die Todesausfahrt überlebt haben ist fast wie ein 6er im Lotto – vielleicht sollten wir doch spielen.

Und nun

Mit dem festen Vorsatz “Nur anschauen nicht kaufen!” ging es zur ersten Besichtigung der Edermühle.

Also gut, Du hast jetzt einen kleinen Einblick bekommen was wir 5 Jahre lang erleben durften bis wir eines Tages mal wieder etwas interessantes entdeckten…

Da war sie auf einmal und aus dem Nichts – unsere Edermühle im Internet inseriert als “400 Jahre alte Mühle mit Fischteichen zu verkaufen!”

Reich an 5 Jahren Erfahrung klärte ich zwar einige Dinge per Telefon ab, wusste aber, dass hier eher das Zufallsprinzip gilt was den Wahrheitsgehalt der Antworten anbelangt.

Zudem lag dieser Vierkanter über unserem Budget, war zu groß und an einer – laut Google Maps – fetten Straße gelegen.

“Mei Steffi, des sind grad mal 2 Stunden von hier, vielleicht ist der Preis viel zu hoch angesetzt, zu viel Platz gibt’s nicht und vielleicht verarscht uns Google Maps mal wieder. Ganz abgesehen davon waren wir noch nie in Niederösterreich.” waren meine Worte zu Steffi und sie willigte ein.

Niemand konnte ahnen, dass wir hier den Volltreffer gefunden hatten und meine Worte viel Wahres beinhalten würden.

Im Terminkalender stand fürs Wochenende “Mühle – nur anschauen, nicht kaufen!”

Was sollen wir sagen… In jeder Minute in der wir mehr von “unserem” Hof sahen, wurde die Stimme, die sagte “Könnts mich eh kaufen” immer lauter…

Der Preis war tatsächlich viel zu hoch angesetzt, schon beim ersten Nachfragen rutschte der Verkaufspreis um ca. 30% nach unten. Der Hof war zwar eigentlich immer noch zu groß, aber wir hatten sofort tausend Ideen was man alles damit anstellen könnte. Tja und Google Maps hat uns tatsächlich verarscht weil aus einer autobahnartigen Bundesstraße eine kleine Nebenstraße wurde, die so selten befahren wird, dass sogar eine Sackgasse neidig werden würde.

Nach der Besichtigung von ca. 2 Stunden wurde aus “Kannst mich eh kaufen…” – “Jetzt kaufts mich endlich es Trotteln – i bins!!!!!!” und wir gaben nach 3 schaflosen Nächten sowie der Nachricht, dass hier ein Glasfaseranschluss möglich sei, nach.

Als wir am 10.10.2014 die Immobilie übernahmen war uns noch nicht klar, welches enorme Ausmaß die Sanierungsarbeiten annehmen sollten – trotz Gutachter und Einschätzungen entsprechender Gewerke vorab.

Doch mit unwissendem Leichtsinn sind wir tatkräftig an unser neues Projekt gegangen – eine Lebensaufgabe wie wir heute wissen.

Die Sanierung dauert bis heute an – allerdings ist das fertige Haupthaus eine unglaubliche Erleichterung.

Meine Mami hat zu ihren Lebzeiten immer gesagt: “Nichts negatives, wo nicht auch was positives ist” und sie sollte mal wieder recht behalten.

Wir sind sehr, sehr froh darüber, dass wir vorher nicht wussten was da alles auf uns zukommt, sonst hätten wir uns das alles garantiert nie zugetraut.

Jetzt würden wir unsere Edermühle um nichts in der Welt mehr hergeben wollen – es ist unser zu Hause.

Gefällt Dir der Beitrag? Unterstütze kreatives Schreiben.

Raiffeisen Bank Region Waldviertel Mitte
Christian Polito
AT87 3299 0000 0081 0598
RLNWATWWZWE

Vorläufiger Abschied

Christian Polito über die vergangenen vier Jahre. Jetz is des ja so, dass sich die [...]

Mahatma Gandhi

Christian Polito über „faul“ sein. Jetz is des ja so, dass es Wichtigeres im Leben [...]

Anders

Christian Polito über wies ned sein soll. Jetz is des ja so, dass ich’s auch [...]

Veganes Frühstück im Waldviertel

Christian Polito über Möglichkeiten im Waldviertel. Jetz is des ja so, dass in Österreich immer [...]

Narrisch

Christian Polito über die Wiedereröffnung am 19. Mai. Jetz is des ja so, dass Steffi [...]

Enten und Politik

Christian Polito über Entennachwuchs. Jetz is des ja so, dass die einen festen Klescher haben, [...]

Kein rosa, kein Pfirsich

Christian Polito über Kompromisse. Jetz is des ja so, dass es gewisse Dinge gibt, die [...]

Einer von zehn

Christian Polito über 90 Prozent Deppen. Jetz is des ja so, dass es heißt, dass [...]

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am Sanierung. Setze ein Lesezeichen auf den permalink.